Traditional medicine of the Balkans with identification and examination of the collected material
Ziel der Studie: Die medizinische Verwendung wild wachsender und kultivierter Pflanzen in sechs Landern auf der Balkanhalbinsel (Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Monte Negro, Serbien, Slowenien und Rumanien) wird in dieser ethnobotanischen Studie, die in den Jahren 2006 bis 2009 stattfand, dargestellt. Das untersuchte Gebiet weist eine auserordentlich hohe Pflanzendiversitat (ca. 6.300 Gefaspflanzenarten) auf, wobei die Verwendung dieser naturlichen Ressourcen in der traditionellen Medizin bisher grostenteils unerforscht ist. Im Rahmen dieser Untersuchung wurde eine systematische Sammlung von Informationen uber die Verwendung von Arzneipflanzen in der Humanmedizin durchgefuhrt. Material und Methoden: Die Informationen wurden durch so genannte offene ethnobotanische Interviews erfasst. Namen, Alter und Beruf der interviewten Person, die geographische Lokalitat und Zeitpunkt des Interviews, Hintergrund des Rezepts, die verwendete Pflanze und der verwendete Pflanzenteil, die Rezeptur (inkl. der Zubereitungsverfahren) sowie die Indikationen wurden systematisch gesammelt. Die in den Rezepturen genannten Pflanzenarten wurden, so weit es moglich war gesammelt, taxonomisch bestimmt und im Herbarium des De¬partments fur Pharmakognosie der Universitat Wien (WUP) deponiert. Fur die anatomischen, morphologischen, und chemischen Analysen wurden Methoden der Morphometrie, quantitative Anatomie, Lichtmikroskopie, Elektronenmikroskopie, Gaschromatographie-Massenspektrometrie, Dunnschichtchromatographie und Spektralphotometrie verwendet. Ergebnisse: Es wurden 116 Lokalitaten besichtigt und 204 Personen befragt. 293 Pflanzenarten wurden als Herbarmaterial gesammelt und 3171 Rezepturen der traditionellen Nutzung wurden aufgenommen. Die Anwendungen umfassen ein ausgedehntes Spektrum an Indikationen, besonders haufig waren Beschwerden des Urogenital-, Respirations- und Magen-Darmtrakts, Hauterkrankungen, Herz-Kreislaufsystemstorungen und Rheumatismus. Der Aufguss war die haufigste Zubereitung, daneben existieren naturlich andere wie direkte Anwendung der Pflanzen ohne Vorbereitung, frisch gepresste Safte, Abkochungen, Tinkturen, Sirupe, Salben, Einreibungen, Mazerationen, Umschlage, Pulver und Zapfchen. Spezielle Zubereitungen der Region von Bosnien und Herzegowina sind „mehlems“ und eine Art Sirup - der so genannte „đulbe secer“. „Mehlems“ wurden aus frisch gehackten oder frisch gepressten Krauterteilen verschiedener Pflanzen zubereitet. Angewarmte Harze von Abies oder Picea Arten, Bienenwachs, Kuh- oder Schweinefett, Olivenol und Honig wurden als Zusatze in den Mehlem-Formulierungen benutzt. Vor allem Arten der Gattungen Arctium, Carlina, Euphrasia, Hypericum, Plantago, Teucrium und Urtica finden haufig Anwendung in diesen Salben. Die Hauptbestandteile von „đulbe secer“ sind Zucker oder Honig, Zitronen und Blutenteile einer speziellen Rosa-Art mit sehr kleinen Bluten, die in Bosnien „đulbe ruža“ oder „ruža secerka“ genannt wird. Die Rezepte wurden mundlich, normalerweise von Mutter zu Tochter, und sogar uber mehr als sechs Generationen uberliefert. Fur weitere Analysen und Vergleiche wurden die gesammelten Daten in die so genannte „VOLKSMED“ Datenbank der osterreichischen Rezepte eingegeben. Einige Arzneipflanzen wie Clinopodium vulgare L. (Lamiaceae), Lythrum salicaria L. (Lythraceae), Mentha pulegium L. (Lamiaceae) und Teucrium montanum L. (Lamiaceae), wurden genauer charaktierisiert (makroskopisch, mikroskopisch und phytochemisch). Schlieslich wurden fur die genannten Arten ausfuhrliche Beschreibungen erarbeitet. Auserdem wurden ein zuverlassiges und praktisches Konzept zur Identifizierung der Mentha-Arten in Bosnien-Herzegowina und der Slowakei und Richtlinien fur die Anwendung von morphologischen, phytochemischen und anatomischen Parametern in dieser taxonomisch komplizierten Gattung ausgearbeitet. Schlussfolgerungen: Abschliesend kann festgehalten werden, dass fur die medizinische Versorgung groser Teile der Bevolkerung, zumindest von Bosnien und Herzegowina, die traditionellen Arzneipflanzenanwendungen von hochster Bedeutung sind. Nur 70 der 293 erhobenen Pflanzenarten werden in der offiziellen Pharmazie angewendet. Weniger bekannte Arten, die seit Jahren in der traditionellen Medizin in dieser Region verwendet werden, konnten mogliche Quellen fur neue Therapeutika darstellen.